Mai 2020 - “unmute yourself”

 
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Es fühlt sich an, als wäre den ganzen Monat nichts erzählenswertes passiert und gleichzeitig ist mir oft alles zuviel gewesen. Zeit also, sich zu fragen: worauf lenke ich eigentlich meine Aufmerksamkeit?

Poesie der alltäglichen (Un)Ordnung

Ich habe eine Challenge akzeptiert, täglich 1 Foto in schwarz-weiss auf facebook zu posten, keine Erklärung, keine Menschen. Ich fand das ein spannendes Experiment. Ich habe ziemlich viele Bilder gemacht, die ich nicht alle gepostet habe. Aber das hat mir einen anderen Blick auf meinen Alltag gegeben. Diese kleinen Stilleben des Alltags, das scheinbar uninteressante, unspektakuläre stille Leben.

Multilemma online

Auch wenn sich der Lockdown lockert (war es eigentlich je ein wirklicher Lockdown?), habe ich diesen Monat immer noch viel Zeit in Zoom-Konferenzen verbracht. Auch meine Ausbildung in systemischem Coaching ging online weiter. So richtig werde ich mich an das Starren auf Köpfe in kleinen Kacheln wahrscheinlich nie gewöhnen. Und dennoch entsteht eine Verbindung. Erstaunt hat mich, dass selbst eine Methode wie das Multilemma, die wir das erste Mal miteinander geübt haben, online funktioniert hat. Multilemma? Das ist eine Methode zur Entscheidungsfindung, bei der der Coachee vom Coach an verschiedene Punkte im Raum gestellt wird, um unterschiedliche Perspektiven auf eine Situation zu gewinnen. Dabei geht es vor allem darum, ein Dilemma aufzulösen. Im klassischen Dilemma sehen wir nur schwarz oder weiss, a oder b und es gibt nichts dazwischen. Das Multilemma erweitert diese limitierte Sichtweise, indem “sowohl als auch”, “weder das eine, noch das andere” und ggf. noch “all das nicht und auch das nicht” nacheinander als weitere Optionen der Zielerreichung durchgespielt werden. Die gecoachte Person muss sich dabei tatsächlich auf verschiedene Positionen im Raum stellen und beantwortet dort stehend die Fragen. Ich war mehr als skeptisch, aber es hat bei der anderen Person tatsächlich etwas bewirkt, auch wenn wir nicht im selben Raum waren.

Singing in the rain

Und was noch? Spaziergänge bei jedem Wetter, der Mai war kälter und regnerischer als die beiden letzten Monate. Aber wie war das? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleider. Die Wahrheit ist: meine Turnschuhe waren denkbar ungeeignet. Sie haben sich in nullkommanix mit Wasser gefüllt und jeder Schritt hat gequietscht. Aber es war trotzdem ein schöner Spaziergang. Die kleinen Füsschen in den roten Gummistiefeln sind dafür trocken geblieben.

Muttertag, Kindergeburtstag, zum ersten Mal den Weg zum Kindergarten alleine laufen, viele kleine, grosse Schritte. Woher kommt das Gefühl, es sei “nichts” passiert? Vielleicht passiert einfach zuviel auf einmal. Rasender Stillstand. Ich schreibe diesen Rückblick heute am 7. Juni, es hat wieder einmal fast den ganzen Tag geregnet, aber gegen Abend ist es schön geworden, so dass ich dann doch noch einen Spaziergang in der Sonne gemacht habe. Ich hatte mir vorgenommen, den Rückblick nach dem Frühstück fertig zu schreiben und dann? Habe ich den grössten Teil des Tages mit Binge-Watching der zweiten Staffel der Serie The Good Fight verbracht. Sowas mache ich echt nicht oft. Aber es hat sich gelohnt. Interessante Figuren, ich werde an anderer Stelle dazu bald mal mehr schreiben. Das alles ist natürlich eigentlich nur Vorbereitung für einen Kurs im Herbstsemester, in dem ich über stereotype Darstellung von Leadership in der Populärkultur unterrichte. Gute Ausrede, oder?

P.S.: “Unmuten” (ausgesprochen: anmjuten) ist wohl das neue Unwort dieser Tage. “Unmute yourself” oder eben “Anmjute dich”… nun ja, was soll man dazu sagen. Ihr wisst schon, das kleine Mikrofon unten, da müsst ihr euch “entmikrophonen”, damit die anderen euch hören. Alles klar?

P.P.S. Falls du in einem Dilemma steckst und das mal spielerisch anders betrachten möchtest, I’m here for you!

P.P.P.S.: Last, but not least: Black lives matter! Und weil Judith Peters mir so aus dem Herzen geschrieben hat, hier meine wärmste Leseempfehlung: Wie privilegiert bin ich eigentlich?

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Neue Vorsätze? Nein, danke!

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Was ist eigentlich “Self-Care”?