Was ist eigentlich “Self-Care”?

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Ich benutze lieber das englische Wort Self-Care als das deutsche Wort Selbstfürsorge. Aber eigentlich ist es dasselbe. Es geht um die Frage, wie gehe ich mit mir selbst um? Kümmere ich mich um meine Bedürfnisse oder erwarte ich, dass andere sich um mich kümmern?

Einfach für dich selber Sorgen

Was machst du, wenn du “Zeit für dich” hast? Pflegst du persönliche Rituale? Es gibt die einfachen kleinen Dinge, die du für dich tun kannst. Für jede*n sind es verschiedene Sachen, die das Herz und die Seele nähren. Vielleicht geniesst du es, in Ruhe ein Buch zu lesen, ein warmes Bad zu nehmen, einen Spaziergang zu machen, in der Sonne einen Capuccino zu trinken, ein Gespräch mit einem Freund oder einer Freundin. Zur Selbstfürsorge zählt aber auch, dass du darauf achtest, genug Pausen zu machen, dich auszuruhen, Zeit für Meditation freizuhalten, gesund zu essen, deinen Körper zu bewegen und dir auch mal eine Pediküre oder eine Massage zu gönnen. Manchmal kann auch schon eine Tasse Tee auf dem Balkon Wunder wirken. Oder der Duft eines ätherischen Öls, das deine Stimmung aufhellen oder dich beruhigen kann.

Natürlich geht es nicht darum, die ganze Liste abzuarbeiten, aber du kannst heute beginnen, manche dieser Dinge, die zeigen, dass du dich selbst liebst und wertschätzt, bewusst und regelmässig in deinen Tagesablauf zu integrieren.

Yoga und Self-Care

Wie lebe ich, wenn niemand zuschaut? Der achtsame Umgang mit sich selbst ist auch eines der zentralen Themen in der Yogaphilosophie. Patañjali nennt im Yoga-Sutra 2.29 acht Glieder des Yogaweges, der Denken, Handeln und Fühlen in Harmonie führt. Die ersten beiden Glieder dieses Weges sind Yama (der gute Umgang mit der Welt) und Niyama (der achtsame Umgang mit sich selbst). Um innerlich ruhiger und gelassener zu werden, empfiehlt Patañjali fünf Verhaltensweisen. Zugegeben, auf den ersten Blick fand ich diese Regeln nicht gerade prickelnd. Und doch sind sie in ihrer schlichten Direktheit sehr förderlich für die persönliche Entwicklung. Die Herausforderung liegt darin, sie nicht als ein paar Sprüche zu lesen und beiseite zu legen, sondern sie wirklich in den eigenen Alltag zu übertragen.

Sauca (Reinheit): Sauber bleiben ist das erste Gebot. Dies bezieht sich ganz grundlegend auf die körperliche und häusliche Sauberkeit, geht aber noch weiter auf die gedankliche und sprachliche Ebene. Überprüfe immer wieder, wo du in deinen Gedanken aufräumen und weniger Dinge gleichzeitig tun kannst. Musst du zum Beispiel wirklich diese WhatsApp jetzt beantworten, obwohl du gerade am Essen bist?

Santosha (Zufriedenheit): dies bedeutet, sich bewusst auf die positiven Dinge im eigenen Leben zu fokussieren und Dankbarbeit zu kultivieren. Du kannst dir zum Beispiel jeden Abend drei bis fünf Dinge überlegen, für die du wirklich dankbar bist. Das Lachen deines Kindes, dass du ein Dach über dem Kopf hast, das leckere Eis im Schwimmbad…

Tapas (Disziplin): Mit diesem Wort hatte ich die grösste Mühe. Disziplin klingt für mich schnell nach Zwang und engt mich ein. Wahre Disziplin entsteht jedoch aus Freude am Tun. Es ist das innere Feuer, das uns antreibt und das wir brauchen, um an einer Sache dranzubleiben, unserer Yogapraxis zum Beispiel, aber auch jedes andere Projekt, das wir verwirklichen wollen. Was motiviert dich wirklich aus dem tiefsten Inneren?

Svadhyaya (Selbstreflexion): hier sind wir aufgefordert, genau hinzuspüren, ob das, was wir tun, auch wirklich gut für uns ist. Ich nehme mal ein Beispiel: als ich anfing, Yoga zu üben, entwickelte ich einen grossen Ehrgeiz und überforderte mich körperlich. Ich musste lernen, dass für mich ein ruhigerer Stil und stetige Übungen, die weniger spektakulär aussehen, besser sind. Frage dich einfach immer wieder: wie geht es mir gerade? Was treibt mich an? Handele ich aus dem Kopf oder aus dem Herz und wem will eigentlich die Führung überlassen?

Ishvara Pranidhana (Hingabe an das Göttliche): egal, ob man nun an Gott, das Göttliche, eine wie auch immer geartete höhere Macht glaubt, Fakt ist, dass wir nicht alles unter Kontrolle haben. Die Hingabe und das Vertrauen ins Leben können uns helfen, auch schwierige Situationen zu meistern und tiefe Erkenntnisse zu gewinnen. Wenn du weisst, dass du nicht alles in deiner Hand hast, kannst du dann aufhören, gegen das Leben und seine unvorhergesehenen Wendungen zu kämpfen?

Aus meiner Erfahrung ist es gut, sich eine Zeitlang auf einen Aspekt zu konzentrieren, zum Beispiel Santosha (Zufriedenheit), bevor man zum nächsten übergeht. So kann man in kleinen Schritten zu mehr Gelassenheit im Alltag finden.

Nichtstun

Wann machst du einfach mal wirklich nichts? Ich ehrlich gesagt, sehr selten. Dabei tut Nichtstun manchmal wirklich gut. Was heisst denn eigentlich “nichts”?

Nichtstun führt oft zum allerbesten irgendwas.
— Pu der Bär

“Nichtstun” heisst für mich nicht “nichts” tun. Es ist einfach diese entspannte Gelassenheit eines Sonntagmorgens, an dem ich frei habe, allein bin und selbstbestimmt entscheide, was ich als nächstes mache, ob ich jemanden treffe oder allein spazieren gehe, ohne Termine und Zeitdruck. Durch diese Art von Nichtstun entsteht Raum für Kreativität, freies Gestalten und neue Ideen. Und nicht zuletzt: man kann die vielen Eindrücke und Erlebnisse, die tagtäglich auf einen einströmen, mal in Ruhe verarbeiten. Zeit, um einfach zu sein und sich voll und ganz auf den Moment einzulassen ist wichtig für die psychische Gesundheit. Ich kann aber nicht immer auf so einen Tag warten, damit ich das Gefühl von Gelassenheit empfinde. Welche kleinen Inseln des Nichtstuns kannst du dir in deinem Alltag schaffen? Kurze Pausen und Zeiten zum Durchatmen? Vielleicht findest du ja auf deinem nächsten Spaziergang einen schönen Stein, den du dir in die Tasche stecken kannst und der dich im Alltag daran erinnert, mal kurz innezuhalten. Oder vielleicht hast du noch ganz andere kreative Ideen.

Self-Care bedeutet in meinen Augen einfach, die Beziehung zu sich selbst immer wieder bewusst zu pflegen, sich zu fragen, was brauche ich jetzt? Auf der körperlichen, mentalen und emotionalen Ebene. Dafür ist es wichtig, nicht permanent im Aktivitätsmodus zu sein, denn darüber kann man den Kontakt zu sich selbst zeitweise verlieren, bis der Körper sich mit Verspannungen meldet und du das Gefühl hast, in deinen Aufgaben zu versinken. Spätestens dann ist es umso wichtiger, einfach mal nichts zu tun.

Take care und wenn du bis hierher gelesen hast: schön, dass es dich gibt, ich freue mich, dass du in meinem Universum bist. Schreib mir doch mal, was deine liebsten Self-Care-Rituale sind.

P.S. Willst du öfter von mir hören? Dann abonniere hier meinen Newletter und erfahre als erste*r Neuigkeiten aus meiner Ideenküche.

P.P.S. Wenn du tiefer in die Yogaphilosophie einsteigen magst, empfehle ich dir folgende Ausgabe: Patañjali. Das Yogasutra. Von der Erkenntnis zur Befreiung. Einführung, Übersetzung und Erläuterung von R.Sriram, Theseus Verlag, Bielefeld.

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Mai 2020 - “unmute yourself”

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April 2020 - sieben Wochen Corontäne